Lieber Frank! Puh, im Gefängnis! Nach Deutschland eingereist, die Zeche der Jugend zu begleichen, wurde entschieden, dass dies ein guter Platz sei zum Transit, nun ja, ich kann mir besseres vorstellen, denn Sonnenenergie erreicht mich nur durch abgeblendete Fenster. Laß uns hoffen, dass das baldigst behoben ist, denn ich bin ja wirklich nicht schlechter geworden. Somit rechne ich damit, mit Verspätung auf dich zu treffen, um zusammen ein wenig literarisch zu arbeiten. Die Phantasie schwillt an und zerbirst in den diversen Abflüssen einer Zelle, doch weiter gebaut wird fleißig und die deutsche Lyrik ist auch schon um paar Seiten erwachsener geworden, die Jugend treibt die Sprache erst so richtig in die Bahnen, die code-artig sich der Vernunft entziehen und einfach sich direkt in glatte Falten schlagen um dann, in Summen und Gleichungen erklärt, sich auch ins logisch-verbreite Zentrum der Kommunikation, z.B. einer Fachzeitschrift, eingliedern und verstanden werden. Zeilen die nur Funken beschreiben und Hypothesen antippen, die Nahrung dem Spezialisten bieten und erst einmal sich hingesetzt, nicht mehr nochmal gelesen werden wollen, denn kleben tut was Klebstoff hat auch nur wenn es geklebt werden will, was anzieht und verwertet wird, obliegt nicht nur dem Schreiberhirn, es gibt sich preis als die Verschmelzung von Sub- und Objektivität, und wehrt sich gegen beide, lässt doch nur eines zu, und weckt im nächsten Satz schon wieder das and’re. Das überempfindliche Schmetterlingsgebiss hat Leben gerochen und sich als großer Macher ausgewiesen, ist dann in Büschen auf- und ob geflogen um sich eingehakt wiederzufinden geradeso drei Gedanken weiter. Mit gelernten Impulsen ist's nicht getan, aber womit auch sonst? Ein lila Gesicht braucht gelbe Augen, um ins Leben zu springen, und Hautgesicht und Nachtaugen sind so normal, dass sie beschrieben werden müssen. Auf roten Schenkeln (ach diese Gitter!) zittern Härchen mit Lust, die kleinen Samenfahnen sind gehisst (ach, hier auf Halbmast!).

Jetzt muss auch hier - April Deutschland - ein Film anlaufen,

den Du sehen solltest ‚The Royal Hunt of the Sun‘ deutscher

Titel vielleicht ‚Sterben im Inkareich‘ oder so mit C. Plummer als Atachualpa, großkehrig und schön, er, der Inka im Dialog mit Pizzarro, und du solltest ihn sehen, er sagt nie dass ihm etwas nicht gefällt, er bringt seinen Geist nicht zu Formulierungen in Bewegung dafür, nein, er bellt, kurz und hoch, er laut-seufzend schwingerlichch klagt, dass es dir im Markt tanzt, sieh ihn Dir an!
Informiere dich doch mal über makrobiotisches Essen, schreib mir darüber, und koste es!

FLOKKEN DIDI ZEIT BEGREIFT/ SIND AN DEN FINGERZEIGERN VON UHRENHÄNDEN ZERBROCHEN/ DRUM KANN ICH NUR MEHR LACHEN/ WENN SIE IM HERZEN SCHWIMMEND VERBLEIBEN/ UND SICH BEIM VIKTUALIENKAUFE AEUSSERN. TROMMELND FLIEGT DIR ZU AUS MEINEN AUGEN/ DIE VERWANDTSCHAFT MIT DEM LEBEN/SUCHT SICH IN SCHREIBENDEN SIGNALEN/ DURCH DIE BREIBERGE DES SCHLARAFFHINANDES/ IN DEN UNS GEMEINEN KERN ZU FRESSEN/ DER SICH SCHLECHTHIN LEBENSEIN BEDENKT. IM KOPFSCHÜTTELN SCHAUDERND ZERSTÄUBT DER GEDANKE/ DASS ICH GEFANGENER VON SPRÜCHEN BIN/ WO VÖGEL MICH SPRACHLOS IN FREUDE FINDEN/ HAT SCHLAF KEINEN PLATZ/ UND EINGEKÜHLT IN SCHMEICHELNDEN MAUERN/ DER SCHNELLE GRIFF NACH INNEN BRINGT LUFT AN DIE GLUT/ MIT DER LUST VERBLEIBENDER WORTE PERLEN DIE TAGE/ IN EINE KETTE DIE ICH DIR SCHENKEN WERDE/ OKAY, SELBST

Kahlgeschorene Köpfe preisen die Wonne behaarter Sinnlichkeit, und ich hoffe stark, lieber Frank, Dass du mir bald schreibst, denn bevor ich nach Berlin überführt werde, mögen noch Wochen vergehen, drum gedenke meiner und schreib ein paar schöne Worte, über die ich nachdenken kann, ein bisschen Joyce, wenn’s geht, oder so und was macht die Kunst? Viele Küsse und drück mir die Daumen und produzier viel Gedanken, die mich beglücken/ Christopher

Aachen 19/4/70
ADALBERTSTEINWEG
(U-HAFT)